Am 6. August 2025 hat das Bundeskabinett den Entwurf für das Geothermie-Beschleunigungsgesetz (GeoBG-E) beschlossen. Damit will die Bundesregierung die Nutzung von Erdwärme deutlich ausweiten und die Wärmewende beschleunigen. Doch was genau steckt hinter dem Gesetz? Welche Änderungen bringt es für Genehmigungsverfahren, Behörden und Projektentwickler? Und wie reagiert die Öffentlichkeit?
🧭 Einleitung: Warum ein eigenes Geothermie-Gesetz?
Die Wärmewende ist ein zentraler Baustein der deutschen Klimapolitik. Während Strom aus erneuerbaren Quellen bereits einen hohen Anteil erreicht hat, hinkt die Wärmeversorgung hinterher. Weniger als 2 % der Wärme stammt derzeit aus Geothermie und Umweltwärme.
Die Bundesregierung sieht in der Geothermie eine heimische, klimaneutrale und ganzjährig verfügbare Energiequelle, die insbesondere in den kalten Monaten das Energiesystem entlasten kann. Mit dem GeoBG-E wird erstmals ein eigenständiges Stammgesetz für die Geothermie geschaffen – ein Schritt, den viele Branchenakteure als überfällig betrachten.
⚙️ Gesetzliche Grundlagen und europäische Vorgaben
Das GeoBG-E setzt zentrale Elemente der novellierten EU-Erneuerbaren-Richtlinie RED III um. Diese schreibt unter anderem vor, dass bergbaurechtliche Genehmigungen innerhalb von maximal zwölf Monaten erteilt werden müssen.
Das Gesetz ist Teil des Sommer-Sofortprogramms der Bundesregierung und erfüllt eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, „schnellstmöglich ein verbessertes Geothermie-Beschleunigungsgesetz auf den Weg zu bringen“.
🧱 Kernelemente des GeoBG-E
⚖️ Überragendes öffentliches Interesse
Ein zentrales Element des Gesetzes ist die Festschreibung, dass Geothermieanlagen, Wärmespeicher und Wärmeleitungen im überragenden öffentlichen Interesse stehen. Damit erhalten sie rechtlich denselben Stellenwert wie Wind- und PV-Anlagen. Behörden müssen künftig Klima- und Versorgungsschutz stärker gewichten als konkurrierende Schutzgüter – mit Ausnahme der Landesverteidigung.
⏱️ Beschleunigung der Genehmigungsverfahren
Das Gesetz enthält zahlreiche Maßnahmen zur Verfahrensvereinfachung:
- Verkürzte Fristen: Genehmigungen für Tiefengeothermie müssen binnen eines Jahres erfolgen, für kleinere Erdwärmepumpen (unter 50 MW) innerhalb von drei Monaten.
- Genehmigungsfiktion: Wenn Behörden nicht rechtzeitig reagieren, gelten Unterlagen als vollständig.
- Digitalisierung: Verfahren für Tiefengeothermie und untertägige Wärmespeicher werden digitalisiert.
- Projektmanager: Behörden können zur Verfahrenskoordination Projektmanager einsetzen.
🛠️ Vereinfachungen im Zulassungsrecht
- Privilegierung bestimmter Wärmepumpen: Für einige entfällt das Genehmigungsverfahren.
- Rechtsklarheit bei Wärmeleitungen: Diese werden rechtlich Gas- und Wasserstoffleitungen gleichgestellt.
- Erleichterungen bei seismischen Messungen: Behörden erhalten klare Vorgaben zu Zeitfenstern und Duldungspflichten für Grundstückseigentümer.
🏗️ Änderungen in bestehenden Rechtsbereichen
Das GeoBG-E ist ein Artikelgesetz und umfasst Änderungen in:
- Bergrecht: Betriebsplanpflicht kann unter bestimmten Bedingungen entfallen.
- Wasserrecht: Einführung von Projektmanagern und Digitalisierungspflichten.
- Umweltrecht: Klarstellungen im Naturschutzrecht, insbesondere bei seismischen Explorationen.
📣 Öffentliche Reaktionen
👍 Zustimmung
- Bundesverband Geothermie (BVG) begrüßt das Gesetz als „Meilenstein“ und lobt die Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses. [Geothermie…chleunigen]
- Verband kommunaler Unternehmen (VKU) sieht wichtige Impulse für die Wärmewende und Versorgungssicherheit.
👎 Kritik und offene Fragen
- Der BDEW bemängelt, dass größere Beschleunigungseffekte ausbleiben könnten und fordert klarere Regelungen für Wasserschutzgebiete.
- Rechtsexperten warnen vor einem „Pyrrhussieg“: Der neue Planfeststellungstatbestand für Wärmeleitungen könnte zu mehr statt weniger Bürokratie führen, da viele Projekte nun erstmals genehmigungspflichtig werden.
- Kommunen und Betreiber sehen Herausforderungen bei der Multicodierung öffentlicher Flächen und Eigentumsfragen bei erdverbundenen Anlagen.
🔍 Kritische Analyse: Mehr Bürokratie statt weniger?
Ein besonders kritischer Punkt ist die geplante Einführung eines eigenen Planfeststellungstatbestands für Wärmeleitungen. Während dies auf den ersten Blick nach einer Vereinfachung klingt, könnte es in der Praxis zu einer Ausweitung der Genehmigungspflichten führen. Viele Wärmeleitungen, die bisher ohne Genehmigung gebaut werden konnten, müssten künftig ein vollständiges Verfahren durchlaufen – inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung.
Auch die Definition von „Wärmeleitung“ im Gesetz ist sehr weit gefasst und umfasst nicht nur Transport-, sondern auch Versorgungsleitungen. Dies könnte zu Rechtsunsicherheit und einer erhöhten Sensibilität bei Behörden und potenziellen Klägern führen.
🔮 Ausblick: Was kommt als Nächstes?
Der Entwurf befindet sich derzeit in der Länder- und Verbändeanhörung. Die Frist zur Stellungnahme endet am 21. Juli 2025. Anschließend wird der Entwurf dem Bundestag zur Beratung vorgelegt. Es ist davon auszugehen, dass es noch Änderungen und Präzisierungen geben wird.
Projektentwickler, Versorger und Industrieunternehmen sollten ihre Planungen bereits jetzt anpassen, aber flexibel bleiben. Weitere Hemmnisse wie lange BEW-Förderverfahren beim BAFA oder fehlende gesetzliche Förderansprüche bleiben ungelöst und könnten die Umsetzung verzögern.
🧠 Für Schnellleser: Zusammenfassung
- Ziel: Wärmewende beschleunigen, Geothermie als Schlüsseltechnologie etablieren.
- Kernpunkte: Überragendes öffentliches Interesse, verkürzte Genehmigungsfristen, Digitalisierung, Projektmanager.
- Rechtsänderungen: Berg-, Wasser- und Umweltrecht werden angepasst.
- Reaktionen: Zustimmung von Verbänden, aber auch Kritik wegen möglicher Bürokratiezunahme.
- Kritik: Neue Genehmigungspflichten für Wärmeleitungen könnten Projekte verlangsamen.
- Ausblick: Gesetz noch nicht verabschiedet – Änderungen möglich. Förderpraxis bleibt ein Problem.